3.107 Wutachflühen
Würdigung
Die Vegetation der Flüheschlucht
Die Flüheschlucht stellt den Teil
der Wutachschlucht zwischen Achdorf und Grimmelshofen dar.
In ihrem Landschaftscharakter
unterscheidet sie sich deutlich von der Schlucht oberhalb der Wutachmühle.
Die Hänge steigen direkt am Fluß
hoch; eine größere Flußaue mit Kiesbänken oder Auwäldern fehlt.
Felsen (des mittleren und oberen
Muschelkalkes) finden sich nur am oberen Teil der Hänge, besonders auf der
Ostseite des Flusses, und fehlen in Flußnähe.
Hinter der Oberkante der Felsen
beginnt gleich die landwirtschaftlich genutzte Hochfläche.
Die Wutach fließt in einer Höhe
von 550 bis 480 m, die Felsen beginnen bei ca. 580 bis 600 m, die Hochfläche
liegt bei ca. 630 bis 640 m.
Botanisches Interesse beansprucht
vor allem die steile und felsige Seite östlich der Wutach, besonders zwischen
der früheren Moggerenmühle und der Eisenbahnbrücke bei Grimmelshofen.
Ihre Exposition reicht von SW bis
S im Nordteil bis NW im südlichen Abschnitt.
Auenwälder mit Grauerle (Alnus
incana) bilden nur einen ganz schmalen Saum entlang des Flusses.
Kleinere, flächige Vorkommen sind
an einigen Quellstellen im nördlichen Teil der Wutachhalde (rechte Flußseite)
anzutreffen.
Die wichtigste Waldgesllschaft ist
der jurassische Buchenwald (Lathyro-Abieteturn, Lathyro-Fagetum, bei Oberdorfer
1949 als Fagetum praealpino-jurassicum) mit Buche (Fagus sylvatica) und
gelegentlich Tanne (Abies alba) und Fichte (Picea abies) in der Baumschicht.
Für die artenreiche Kraut- und
Strauchschicht sind Frühlingsplatterbse (Lathyrus vernus), Seidelbast (Daphne
mezereum) und Alpen-Geißblatt (Lonicera alpigena) kennzeichnend.
Diese Waldgesellschaft ist v.a.
auf den flacheren Hängen der westlichen Flußseite großflächig zu finden, hier
jedoch oft nur in artenarmen Dickungen und in nur wenigen Altholzbeständen.
Trockenere Stellen enthalten
Buchenwälder mit Weißer Segge (Carex alba) und Leberblümchen (Hepatica triloba),
die zum Seggen-Buchenwald (Carici-Fagetum, vgl. Fagetum praealp. -jurass.
caricet. albae bei Oberdorfer 1949) gehören.
Derartige Bestände finden sich im
unteren Teil der Schlucht nahe der Eisenbahnbrücke.
Wo die Standorte block- oder
geröllreicher sind und der Buche weniger zusagen, stockt an warmen, trockenen,
meist S- oder SW-exponierten Hängen der Linden-Ahornwald (Aceri-Tilietum) mit
Sommerlinde (Tilia platyphyllos), Berg- und Spitzahorn (Acer pseudoplatanus, A.
platanoides).
Er nimmt (zusammen mit dem
Schluchtwald) auf der linken Wutachseite große Flächen ein.
In der Krautschicht sind
Wunderveilchen (Viola mirabilis) und Bergflockenblume (Centaurea montana) die
bezeichnenden Arten.
Dazu kommen an lichten Stellen wie
Wegrändern oder Schlägen die beiden Wickenarten Vicia dumetorum u. V.
sylvatica.
Die entsprechende Gesellschatt
schattiger und frischer Hänge (meist in NW- bis W-Exposition) ist der
Schluchtwald (Aceri-Fraxinetum), der in der Baumschicht aus Bergahorn (Acer
pseudoplatanus), Bergulme (Ulnius scabra) und Esche (Fraxinus excelsior)
aufgebaut ist.
In der Krautschicht finden sich
als bezeichnende Arten Geißbart (Aruncus sylvestris) und Silberblatt (Lunaria
rediviva), an besonders schuttreichen Stellen im unteren Teil nahe der Eisenbahnbrücke
auch Lappiger Schildfarn (Polystichum lobatum) und Hirschzunge (Phyllitis
scolopendrium, diese in großen Beständen).
Feinerdereiche Hangfüße, die zu
buchenreichen Wäldern vermitteln, zeigen eine interessante Geophytenflora.
Dazu gehören in der Flüheschlucht
besonders die großen Bestände des Märzenbechers (Leucojum vernum).
Ferner finden sich hier
Moschuskraut (Adoxa
moschatellina), Goldstern (Gagea lutea) oder Lerchensporn (Corydalis cava, C.
solida).
Schließlich sind als kleinflächig
auftretende Waldgesellschaften Eichenbuschwälder und Kiefernsteppenbestände
aufzuführen.
Die Eichengebüsche
(Steinsamen-Eichenwald, Lithospermo-Quercetum) nehmen die trockensten,
flachgründigeren Stellen an Süd- und Südwesthängen des nördlichen Teiles der
Schlucht ein.
Eichen (v.a. Quercus robur,
seltener Q. petraea) und Mehlbeeren (Sorbus aria) bilden die niedere
Baumschicht.
Darunter findet sich meist eine
reiche Strauchschicht (mit Schneeball Viburnum lantana, Liguster, Ligustrum
vulgare, u.a.).
In der Krautschicht sind die
Herden
des Purpurroten Steinsamens
(Lithospermurn purpureo-coeruleum) sowie Ebensträußige Wucherblume
(Chrysanthernurn corymbosum), Schwarze Platterbse (Lathyrus niger) und
Bergsegge (Carex montana) bezeichnend.
Die Kiefernsteppenwälder (Cytiso-Pinetum)
finden sich nur kleinflächig auf Felsköpfen, hier vielleicht auch noch
zusätzlich vom Menschen durch Wirtschaftsmaßnahmen gegünstigt.
Durch den lichten Charakter der
Bestände werden Arten der Steppenheide gefördert, so z.B. Heilwurz (Seseli
libanotis), Blutroter Storchschnabel (Geraniurn sanguineum) oder Zwergsegge
(Carex humilis).
Daneben kommen auch echte
Kiefernbegleiter wie die präalpine Buchs-Kreuzblume (Polygala chamaebuxus) vor
(z.B. bei Blumegg).
Sie hat sich sekundär weiter
ausgebreitet und findet sich auch an Wegrändern nahe der Eisenbahnbrücke.
Schließlich ist noch die
Vegetation der Felsen zu erwähnen.
Zu der auch in der oberen
Wutachschlucht verbreiteten Bergdistelgesellschaft (mit Bergdistel, Carduus
defloratus, und Blaugras, Sesleria varia) kommt hier auf den Felsbändern
verbreitet die Pfingstnelkenflur (mit Pfingstnelke, Dianthus gratianopolitanus
und Festuca pallens) hinzu.
In der übrigen Wutachschlucht hat
diese Gesellschaft nur ein isoliertes Vorkommen am Räuberschlössle bei
Göschweiler; die nächsten Fundstellen sind im Donautal unterhalb Tuttlingen und
im westlichen Bodenseegebiet.
Die Blasenfarn-Gesellschaft mit
Blasenfarn, Cystopteris fragilis, und Grünem Streifenfarn, Aspleniurn viride,
ist in der Flüheschlucht nicht so verbreitet wie in der oberen Wutachschlucht,
enthält jedoch als Besonderheit die Alpengänsekresse (Arabis alpina), die wir
in Südwestdeutschland heute nur noch aus dem Donautal bei Hausen kennen.
Das Vorkommen der Pflanze kann als
Glazialrelikt aufgefaßt werden.
Auch der subalpin verbreitete
Lanzenfarn (Polystichum lonchitis), dessen nächste Fundstellen am Feldberg
liegen, wurde vereinzelt beobachtet (z.B. bei Blumegg).
An den Felsen sind auch einige
bemerkenswerte Vorkommen montaner Moose zu erwähnen, so von Plagiopus oederi,
Pedinophyllum interruptum und von Orthothecium intricatum.
Besonders auffallend sind die von
Kalktuff inkrustierten Rasen von Eucladiurn verticillaturn an den Sickerstellen
im nördlichen Teil der Flüheschlucht.
In großen Zügen gleicht die
Vegetation der Flüheschlucht der der Wutachschlucht oberhalb der Wutachmühle.
Doch finden sich in der
Flüheschlucht einige „jurassischer" Arten, die von Osten her eingewandert
sind und hier ihre westlichsten Fundstellen im Gebiet aufweisen; in die
Schlucht oberhalb der Wutachmühle sind sie nicht vorgedrungen.
Dazu gehören Bleiches Knabenkraut
(Orchis pallens), die vielfach in warmen, buchen- wie eichenreichen Wäldern und
sogar auf Wiesen vorkommt, der Färbermeister (Asperula tinctoria), der Graue
Löwenzahn (Leontodon incanus), die Buchs-Kreuzblume (Polygala chamaebuxus) oder
das Leberblümchen (Hepatica triloba).
Andere Arten wie Pfingstnelke,
Lappiger Schildfarn oder Hirschzunge kommen in den Flühen aus edaphischen
Gründen häufiger vor als in der oberen Schlucht.
Tanne und Fichte spielen in der
Flüheschlucht nicht die Rolle wie in der oberen Wutachschlucht: ein Zeichen für
das wärrnere Klima der Flühen.
Die ursprünglichen Waldbilder und
die interessante Flora der Felsen rechtfertigen einen Schutz des Gebietes.
Dabei kann die forstliche Nutzung
im bisherigen Umfange erfolgen.
Einige Bestände wie
Eichenbuschwälder oder die schuttreichen Schluchthänge sollten als Schonwälder
behandelt werden
Philippi, G. (1971):
Neueres Gutachten von 1975 bei den
Akten der BNL Freiburg!